Augenzeuge aus Leidenschaft
Es gibt Bilder, die fast alle kennen. Den Fotografen dahinter kennen nur wenige. Etwa als Barack Obama beim G7-Gipfel in Elmau lässig, mit Blick auf die Alpen, auf einer Holzbank sitzt und Angela Merkel vor ihm stehend mit ausgestreckten Armen auf ihn einredet.
Michael Kappeler hat einen Bruchteil dieses Moments genutzt, so wie viele Fotografen Momente abbilden, die in der BPK, bei Politikerreisen, im Bundestag, an Wahlabenden und bei alltäglichen oder außergewöhnlichen Ereignissen entstehen. Tagt der Koalitionsausschuss, harren sie bei Wind und Wetter am Kanzleramt aus und dokumentieren Momente, die man eben nicht aus dem Homeoffice oder mit KI einfangen kann. Kappeler sagt über sich: »Ich bin Augenzeuge aus Leidenschaft.«
Er ist mit seinen Bildern das erweiterte Auge der Leser vor Ort, die so authentischere Eindrücke bekommen, als es viele Worte in einem Text vermögen. Kappeler versucht nicht, Bildern hinterherzulaufen, sondern betont: »Die wirklich guten Bilder kommen zu einem, wenn man wartet, beobachtet und im richtigen Augenblick den Knopf drückt.« In der politischen Fotografie gehe es nicht immer um die fotografische Exzellenz, sagt er, sondern um das Fotografieren zum richtigen Zeitpunkt.
Er sagt, ihm gehe es darum, die Nuancen zu erkennen und den Augenblick festzuhalten. »Zwischen der Fassade der Politiker, der Inszenierung und der Realität.« Hinter dem Agenturkürzel dpa stehen Hunderte erstklassige Fotografen und Journalisten – ohne die gerade in der Online-Berichterstattung heute nichts gehen würde. Und hinter jedem Bild steht eben ein Mensch, der es macht und dann blitzschnell zur Verfügung stellt. Somit steht der Preis für Michael Kappeler sicher auch stellvertretend für die vielen Fotografenkolleginnen und -kollegen und für die politische Fotografie in Berlin insgesamt.
Seit 1978 besteht die Bundespressekonferenz nicht nur aus den Korrespondenten in Bonn und heute Berlin. Auch die Fotojournalisten, die regelmäßig über Bundespolitik berichten, sind vollwertige Mitglieder. Eine Besonderheit: Die Fotografierenden sitzen stets in der für sie reservierten ersten Reihe, um mit ihren Kameras auch in der BPK das Geschehen aus nächster Nähe abzubilden. Für die Belange der Fotografen in der Bundespressekonferenz engagiert sich der diesjährige Preisträger seit vielen Jahren ehrenamtlich.
Als Cheffotograf der dpa koordiniert Kappeler seit 15 Jahren die politische Fotografie der Agentur. Kappeler macht um seine Arbeit nie ein Aufheben, ist stets leidenschaftlich vor Ort, ganz vorne, ganz nah dran, auch wenn es kalt, schmutzig, nervig oder eng ist. Nach einem Redakteursvolontariat bei der Augsburger Allgemeinen fotografierte Kappeler zunächst für Reuters in München und dokumentierte dann den Regierungsumzug für ddp in Berlin.
Erstmals zeichnet die BPK in diesem Jahr einen Fotojournalisten mit dem Preis der Bundespressekonferenz aus. Denn als Augenzeugen erschaffen manche, wie Michael Kappeler, als »HI« (humane Intelligenz) trotz Stress und Zeitnot mit ihrem journalistischen Gespür Bilder, die im Gedächtnis bleiben.
Foto: Kay Nietfeld / dpa