»Brüssel war der Eimer, auf den mein Hintern passte.« Seine ungeschnörkelte Sprache und seine messerscharfe Analyse haben Rolf-Dieter Krause zur journalistischen Institution gemacht. Wenige Monate nach seinem Wechsel in den Ruhestand nach Berlin wird der langjährige Leiter des ARD-Studios in Brüssel beim Bundespresseball am 25. November mit dem Preis der Bundespressekonferenz 2016 ausgezeichnet.
Finanzminister Wolfgang Schäuble bezeichnet Krause als »leidenschaftlichen Europäer«, für den früheren WDR-Intendanten Friedrich Nowottny hat er »Europa verständlich gemacht«. Der Preisträger selbst bevorzugt die Bodenhaftung: »Ein guter Journalist muss sich immer ernst nehmen, aber nie wichtig.« Seine Zeit außerhalb Deutschlands hat ihn in seiner Einstellung als Verfassungspatriot gestärkt. Das Erleben der politischen und journalistischen Wirklichkeit in Europa brachte ihn zu der Überzeugung: »Ich bin gerne Deutscher.« Das Land sei zwar nicht perfekt, aber es sei »klasse« immer wieder die Freiheiten zu erleben. Als Beispiel nennt er das Entsetzen von Kollegen aus anderen Ländern, nachdem er in einem viel beachteten Kommentar nach den letzten Europawahlen die Bundeskanzlerin vor dem Bruch ihres Wahlversprechens warnte. Klar, treffend, verletzend. »Das hätte ich mir bei uns nicht erlauben können«, lautete es aus anderen Ländern. Und mit ungläubigem Staunen erfuhren die Kollegen, dass es aus dem Kanzleramt nicht einmal einen Anruf gegeben habe. Geschweige denn irgendwelche Nachteile.
Als gelebte Pressefreiheit hat Krause auch die Bundespressekonferenz vor Augen, der er von 1985 bis 1990 und von 1995 bis 2000 angehörte. Dass jedes Mitglied jede Frage stellen könne und sich die Politiker der Moderation eines Journalisten unterwürfen, sei einmalig in der ganzen Welt. »Überall sonst suchen sich die zu Befragenden die Fragenden selbst aus«, weiß Krause aus internationaler Erfahrung. Und in manchen Staaten bekämen Kollegen zwei Tage vor der Pressekonferenz einen Anruf mit der Mitteilung, dass sie dieses Mal eine Frage an den Präsidenten richten dürften – und man wisse auch schon, welche besonders gewünscht sei.
Bleibt zu hoffen, dass sich Krause auch aus dem Ruhestand gelegentlich zu Wort meldet. Ein Europa in schwerem Fahrwasser und mit populistischen Strömungen, die die Grundfesten unterspülen, braucht klare Ansagen. »Viele jener Ursachen, die zu schrecklichen Kriegen geführt haben, sind ja noch da«, hebt Krause hervor. Je selbstverständlicher Freiheit und Frieden seien, desto dringender sei es, die »EU als friedensstiftende Institution« zu stärken.
Der Preis der Bundespressekonferenz, eine in Kristall gravierte Tastatur, mag Krause an seine Anfänge als WAZ-Kollege erinnern. Oder an die Zeit, als er »langhaarig und mit vielen Wieso-Fragen« als WDR Korrespondent in Bonn BPK-Mitglied wurde und die Hilfsbereitschaft der alten Hasen schätzen lernte. Der durchsichtige Preis steht aber auch für Durchblick à la Krause. Auch ohne das Bild vom Eimer und Hintern ist klar: Das ist der Preis, der zu Krause passt.
Von Dr. Gregor Mayntz
Erschienen im GLANZ Magazin, August 2016